Armut hat Platz
20.02.14
Über 100 sogenannte ArmutsmigrantInnen leben derzeit auf Salzburgs Straßen. Die Caritas hat mit Februar 2014 gemeinsam mit verschiedenen Salzburger Organisationen eine „Plattform für obdachlose ArmutsmigrantInnen aus EU-Staaten“ ins Leben gerufen.
Mit der Gründung der „Plattform für obdachlose ArmutsmigrantInnen aus EU-Staaten“ Anfang Februar 2014 reagiert die Caritas und viele Salzburger Organisationen und Vereine auf das gespaltene Klima zur Bettelarbeit in weiten Teilen der Bevölkerung. Initiator der Aktion ist Caritas Direktor Mag. Johannes Dines, das Kernteam der Plattform besteht aus Caritas, Diakoniewerk Salzburg, dem Stift St. Peter, dem Roma-Verein Phurdo.
Ziel des Netzwerks ist es, sich für eine menschenwürdige Situation, die Sicherstellung der Grundversorgung, d.h. Nächtigung, eine warme Mahlzeit, die Möglichkeit der Körperhygiene und frische Kleidung, sowie die Wahrung der Rechte der Notreisenden auf den Straßen der Mozartstadt einzusetzen. Prominente Unterstützung erhält die Initiative durch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie Erzbischof Franz Lackner, Superintendent Olivier Dantine, Sepp Forcher, Doraja Eberle oder Universitätsrektor Heinrich Schmidinger.
Caritas Direktor Mag. Johannes Dines: „ArmutsmigrantInnen haben keine Perspektive mehr in ihrer Heimat und sichern mit Betteln ihr Überleben. Geben wir diesen Menschen ein Stück Würde zurück und einen Platz in unserer Gesellschaft. Menschliches Miteinander wird Salzburg glaubwürdiger machen und den Glanz einer weltweit bekannten Festspielstadt verstärken“.
Aus eigenem Erleben kann MMag. Michael König, Geschäftsführer Diakoniewerk Salzburg, von der unvorstellbaren Armut und dem großen Elend in Teilen von Rumänien berichten, in denen das Diakoniewerk mit zwei ersten Initiativen tätig ist. „Diese Eindrücke ließen mich nicht mehr los und so war mir die Gründung dieser Plattform auch persönlich ein großes Anliegen.“
Vorhaben und Ziele der Plattform für obdachlose ArmutsmigrantInnen aus den EU-Staaten
• Aufbau und Betrieb eines dauerhaften Notschlafquartiers mit angeschlossenen Tagesaufenthaltsräumen und dessen finanzielle Absicherung
• Anwaltschaftliches Engagement für eine würdevolle Aufnahme dieser Menschen in der Stadt Salzburg
• Einbringen unserer fachlichen Expertise, um eine unterstützende und ausgewogene mediale Darstellung der Themenstellungen zu ermöglichen
• Koordinierung, Bündelung und Verstärkung verschiedener bereits vorhandener Einzelinitiativen
• Aufbau eines basalen Beratungsangebotes und einer nachhaltigen Struktur zur medizinischen Basis-Versorgung
• Empowerment – Unterstützung von Maßnahmen der „Hilfe zur Selbsthilfe“
Online - Unterschriftenaktion „Armut hat Platz“
Das erste gemeinsame Projekt der Plattform geht ab heute, 20. Februar 2014 mit der Website der Plattform online: Die Petition „Armut hat Platz“. Alle SalzburgerInnen können sich ab sofort namentlich unter www.armut-hat-platz.at eintragen und so mit ihrer virtuellen Unterschrift ein Zeichen setzen für mehr Solidarität gegenüber diesen Menschen am Rande der Gesellschaft. Die Website www.armut-hat-platz.at beinhaltet neben der Petition auch das Positionspapier der „Plattform für obdachlose ArmutsmigrantInnen aus EU-Staaten“ sowie eine aktuelle Studie über die Bettlersituation in Salzburg von Heinz Schoibl, Helix-Forschung und Beratung OG.
Stift St. Peter als Unterstützer der ersten Stunde
Pater Virgil Steindlmüller, Prior des Stifts St. Peter: „Mittlerweile ist die Not der ArmutsmigrantInnen so groß geworden, dass wir unseren christlichen Auftrag und unsere benediktinische Verantwortung ernst nehmen müssen. Das Stift St. Peter engagiert sich dafür, dass diese Menschen ihre Menschenwürde wieder erhalten und dass für sie in Salzburg die nötige Grundversorgung vorhanden ist“.
Studie untermauert schlechte Versorgungslage in Salzburg
Die Versorgungssituation der Notreisenden in Salzburg, die zu 80 Prozent aus Rumänien, aber auch aus der Slowakei und Polen kommen, erweist sich laut einer aktuellen Studie von Heinz Schoibl (Helix-Forschung und Beratung OG) als äußerst eingeschränkt. Diese Menschen sind gleichermaßen vom Bezug von Sozialleistungen als auch vom Zugang zu den meisten sozialen Diensten ausgeschlossen.
Lediglich in den Wintermonaten sind existenzsichernde Überlebenshilfen vorgesehen, die den tatsächlichen Bedarf jedoch nicht abdecken können. Insbesondere fehlt es an adäquaten Unterkünften für Familien mit Kindern. Zusätzlich ist ein eklatanter Mangel an Hygienemaßnahmen, medizinischer Grundversorgung und Schutz vor Gewalt zu beklagen (vgl. „Lebens- und Bedarfslagen der neuen ZuwanderInnen/Notreisenden“, Heinz Schoibl, Juli 2013).
Fehlende Perspektive in südosteuropäischen Herkunftsländern
Seit der EU-Erweiterung 2004 ist auch in Salzburg die verstärkte Zuwanderung von Menschen aus den „neuen“ EU-Ländern spürbar. Grund dafür ist die große Armut in den Herkunftsländern, bedingt durch mangelnde Bildung, hohe Arbeitslosenquote sowie wenig Aussicht auf Verbesserung der Rahmenbedingungen. Hunderttausende verarmte Menschen aus südosteuropäischen EU-Staaten versuchen sich in Städten wie Salzburg das eigene Überleben und das ihrer Familien mit Bettelarbeit zu sichern.
„Vielfach gehören diese Menschen der Volksgruppe der Roma an. Durch ihre Herkunft erfahren sie in den verschiedensten Ländern schwerste Diskriminierungen und rassistische Ausgrenzung. Ihnen fehlt jegliche Zukunftsperspektive zur Absicherung des Lebensalltages im Heimatland“, sagt Dines.
Bis Reformen in den Herkunftsländern der ArmutsmigrantInnen greifen, werden diese Menschen in den „goldenen Westen“ wie beispielsweise nach Salzburg reisen, um hier durch Betteln, Straßenmusik, Verkauf von Straßen-Zeitungen oder andere Gelegenheitsjobs zu überleben.
Aus Hausbesuchen der Sozialarbeiterin des Diakoniewerks in Sebeş kann berichtet werden, dass die Menschen oft überhaupt nicht in der Lage sind, in den Westen „betteln“ zu gehen, sie sind zu krank, zu sozial beeinträchtigt.
„Wenn ich nun den Titel der Studie von Heinz Schoibl heranziehe – 'Solange es mir hier, auf der Straße, besser geht als Zuhause, werde ich herkommen und betteln.' – müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass es in den Heimatländern viele Menschen gibt, die eben nicht einmal diese Wahl haben!“ resümiert König.
Text: Dr. Margit Greisberger, Caritas Salzburg